GEGENWARTSLITERATUR 2505
Wildwochen
Alles Helle auf der Vorderseite hat meist etwas Dunkles auf der Hinterseite. Wer mit dem Finger durch die Speisekarte der Wildwochen fährt, muss wissen, dass zumindest in Österreich allerhand Blut und Dreck auf der Rückseite der Speisekarte steht.
Elisabeth Schicketanz und Robert Boulanger haben sich lustvoll der österreichischen Seele angenommen, die bekanntlich verbrämt durch urbane Sequenzen als archaisches Finsterland im erweiterten Speckgürtel rund um die Hauptstadt ansässig ist. Wer verstehen will, wie dieses ironisch-feudale Österreich tickt, das sich zwischen Deix-Figuren in Ackerfurchen versteckt, kommt an der Jagd nicht vorbei. Allein in Niederösterreich sind gut dreißigtausend Jagdscheine im Umlauf, (91) sagt jemand ganz verbittert, als er nicht mehr weiterweiß.
„Wildwochen“ ist das ideale Schlüsselwort, um diese muffigen, aufs Land geflüchteten Landeier zu beschreiben. In aktuellen Wähler-Landkarten sind die flächendeckend schießenden Bezirke blau eingezeichnet, die ermittelnden intellektuellen Gegenden dagegen in Grün. So eine Wählerverteilungskarte kann man sich in den Kopf einspielen, um die Wildwochen zu begreifen.
An der Oberfläche handelt es sich dabei um einen Kriminalroman. Der Kommissar Kovac ist gerade beim Übersiedeln von Wien auf das Land, da wird er von einer Serie erhängter Personen aufgehalten, die alle im Jagdgewand aufgeknüpft worden sind. Die Jagd spielt offensichtlich eine metaphysische Rolle für eine irre Tätergruppe. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, denn für Krimileser bricht ein Buch immer entzwei, wenn sie die sogenannte Lösung wissen.
Für die Meta-Leser sind freilich verrückt gute Botschaften enthalten. Da wird man einmal mit dem ermittelnden Kovac in das Landleben eingeführt. Zwei Dinge braucht man dabei unbedingt, einen geländegängigen Wagen und einen Tierarzt. Außerdem wird man mit typisch hybriden Berufsgruppen bekannt gemacht, wie es etwa Künstler oder Tierschützer sind. Hierbei handelt es sich um unrunde Personen, die aus der Stadt geflohen sind und jetzt die Ackerflächen und deren Besitzer missionieren wollen.
Zum dritten lernt man eine eigene Sprache. In der sogenannten Jägersprache ist eine ganze Philosophie verborgen, wie man töten kann, ohne dass es danach klingt. Diese Sprache zeigt durchaus Verknüpfungen zu entsprechenden Ideologien, bei denen der Faschismus ins Innere der Sätze gerutscht ist.
Erzähltechnisch gesehen geht es sehr österreichisch zu, es wird viel umschrieben, angedeutet, herumgeredet, aber selten Klartext geredet. Als Leser muss man auf der Hut sein, in dem Gelaber der Figuren nicht den Faden zu verlieren. Dabei sind die Kapitel mit der Innensicht der Täter und Opfer genauso barock ausgelegt wie die umständlichen Ermittlungen der barock aufgestellten Behörden. Eine Task-Force-Gruppe in St. Pölten ist wohl das Lustigste, was forensisch passieren kann.
Apropos lustig, man merkt es dem Autoren-Duo an, wie es sich beim Schreiben zerkugelt hat vor Lachen. Diese ungehemmte Fröhlichkeit kommt dem Krimi immer dann zugute, wenn es besonders ernst zugehen soll. - Sehr bekömmliche Wildwochen!
Elisabeth Schicketanz und Robert Boulanger haben sich lustvoll der österreichischen Seele angenommen, die bekanntlich verbrämt durch urbane Sequenzen als archaisches Finsterland im erweiterten Speckgürtel rund um die Hauptstadt ansässig ist. Wer verstehen will, wie dieses ironisch-feudale Österreich tickt, das sich zwischen Deix-Figuren in Ackerfurchen versteckt, kommt an der Jagd nicht vorbei. Allein in Niederösterreich sind gut dreißigtausend Jagdscheine im Umlauf, (91) sagt jemand ganz verbittert, als er nicht mehr weiterweiß.
„Wildwochen“ ist das ideale Schlüsselwort, um diese muffigen, aufs Land geflüchteten Landeier zu beschreiben. In aktuellen Wähler-Landkarten sind die flächendeckend schießenden Bezirke blau eingezeichnet, die ermittelnden intellektuellen Gegenden dagegen in Grün. So eine Wählerverteilungskarte kann man sich in den Kopf einspielen, um die Wildwochen zu begreifen.
An der Oberfläche handelt es sich dabei um einen Kriminalroman. Der Kommissar Kovac ist gerade beim Übersiedeln von Wien auf das Land, da wird er von einer Serie erhängter Personen aufgehalten, die alle im Jagdgewand aufgeknüpft worden sind. Die Jagd spielt offensichtlich eine metaphysische Rolle für eine irre Tätergruppe. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, denn für Krimileser bricht ein Buch immer entzwei, wenn sie die sogenannte Lösung wissen.
Für die Meta-Leser sind freilich verrückt gute Botschaften enthalten. Da wird man einmal mit dem ermittelnden Kovac in das Landleben eingeführt. Zwei Dinge braucht man dabei unbedingt, einen geländegängigen Wagen und einen Tierarzt. Außerdem wird man mit typisch hybriden Berufsgruppen bekannt gemacht, wie es etwa Künstler oder Tierschützer sind. Hierbei handelt es sich um unrunde Personen, die aus der Stadt geflohen sind und jetzt die Ackerflächen und deren Besitzer missionieren wollen.
Zum dritten lernt man eine eigene Sprache. In der sogenannten Jägersprache ist eine ganze Philosophie verborgen, wie man töten kann, ohne dass es danach klingt. Diese Sprache zeigt durchaus Verknüpfungen zu entsprechenden Ideologien, bei denen der Faschismus ins Innere der Sätze gerutscht ist.
Erzähltechnisch gesehen geht es sehr österreichisch zu, es wird viel umschrieben, angedeutet, herumgeredet, aber selten Klartext geredet. Als Leser muss man auf der Hut sein, in dem Gelaber der Figuren nicht den Faden zu verlieren. Dabei sind die Kapitel mit der Innensicht der Täter und Opfer genauso barock ausgelegt wie die umständlichen Ermittlungen der barock aufgestellten Behörden. Eine Task-Force-Gruppe in St. Pölten ist wohl das Lustigste, was forensisch passieren kann.
Apropos lustig, man merkt es dem Autoren-Duo an, wie es sich beim Schreiben zerkugelt hat vor Lachen. Diese ungehemmte Fröhlichkeit kommt dem Krimi immer dann zugute, wenn es besonders ernst zugehen soll. - Sehr bekömmliche Wildwochen!
Helmuth Schönauer 10/07/16